Eine Kurzgeschichte von Robert Curth
Es war November am Nordpol und der Winter hielt langsam Einzug. Das hieß, es würde langsam kalt werden. Nicht dass es sonst nicht kalt wäre, so weit im Norden war es eigentlich immer kalt, aber zu dieser Zeit war es so besonders kalt, dass sogar die warme Sonne es vorzog, einen Urlaub in der Südsee abzuhalten als ihr strahlendes Gesicht in diese Einöde blicken zu lassen. Doch diese kalte Jahreszeit hatte auch ihre Vorteile. Das Weihnachtsgeschäft stand bevor und damit herrschten in den Fabrik- und Fertigungshallen des Weihnachtsmannes emsiges Treiben um die ganzen Wünsche und Bitten der Kinder zu erfüllen.
Überall eilten geschäftige kleine Wesen, die sogenannten Weihnachtswichtel, umher um die Maschinen zu bedienen, Förderbänder zu leeren oder einfach um neue Bestellmuster aufzulegen. Die meisten von ihnen hatten das bisherige Jahr in nicht so viel Arbeit, was aufgrund der Logistik und der damit verbundenen Bürokratie nicht immer ganz reibungslos ablief, und sie freuten sich darauf, zumindest die letzten zwei Monate des Jahres ihre Familien angemessen versorgen zu können.
„Die Anlage A-38 ist schon wieder wegen Überlastung ausgefallen!“ tönte es von einer Ecke der Fertigungshalle. „Förderband C-4 klemmt auch!“ erwiderte es von einer Anderen.
Ein unzufriedenes Raunen ging durch die Reihen. „Der Alte hatte doch wirklich genug Zeit, um sich darum zu kümmern.“, murrte ein halbgreiser Wichtel. „Ach vergiss es. Es liegt an uns, mal wieder dafür zu sorgen, dass hier alles läuft. Der sitzt doch nur auf seinem dicken Hinterteil und lässt sich nur einmal für die Publicity blicken.“ stimmte ein etwas jüngerer Wichtel ein.
Das Raunen wurde lauter. „Und dabei läuft ohne uns hier gar nichts!“ tönte es von irgendwo her. „Genau!“ rief es zurück „Wir sollten das mal klar machen!“ kam es aus der nächsten Ecke. „Wir wollen unseren gerechten Anteil!“ sagte der nächste. „Und mehr Weihnachtpunsch!“ ertönte es. „Ja, mehr Weihnachtspunsch!“ hallte es wie aus einer Kehle in der Halle.
Zur gleichen Zeit, oder besser gesagt kurz darauf im Büro des Weihnachtsmannes. „Bereiten Sie bitte alles für das Zehnuhr-Meeting vor.“ orderte der rotbemantelte Geschäftsführer seine Sekretärin durch die Gegensprechanlage an. „Geht klar Chef!“ erwiderte Diese. „Und bringen Sie mir eine heiße Schokolade.“ ergänzte dieser noch. „Alles klar, Chef. Aber vielleicht sollten sie sich das vorher noch anschauen. Es scheint, dass die Arbeiter in Halle 4 nicht arbeiten.“ gab sie ihm noch durch.
Ungehalten stampfte der Weihnachtsmann durch den Schnee in Richtung Halle 4. „Was kann sie denn jetzt schon wieder aufhalten? Die Saison hat doch gerade erst begonnen.“ Murmelte er als er die schweren Tore aufstieß. „Also wo liegt das Problem?“ fragte er bevor er von einem Meer an Schildern und Stimmen übermannt wurde. „Wir haben Genug!“ tönte es ihm entgegen. „Wir lassen uns nicht weiter ausbeuten!“ setzte es nach. „Wir wollen eine bessere Bezahlung! Mindestens zwei Weihnachtsstollen pro Woche!“ rief einer der Wichtel. „Und mehr Punsch!“ tönte ein anderer. „Ja mehr Punsch!“ tönte der Rest.
Seufzen und Murren erfüllte die Halle, ehe sich die Stimmen wieder an den Weihnachtsmann richteten. „Bevor das nicht erfüllt ist, läuft hier gar nicht mehr!“
Fassungslos machte sich der alte Mann zurück in sein Büro. Ein Streik. Und das jetzt. Wo alles schnell gehen musste um die Quote zu halten. Erschöpft ließ er sich in seinen Sessel fallen. Kopfschüttelnd nahm er die Geschäftspapiere des letzten Jahres zur Hand. Die Zahlen darauf sahen alles andere als gut aus. Die Konkurrenz durch Unternehmen wie Amazon hatte in den letzten Jahren extrem zugenommen und auch die laufenden Kosten stiegen ständig. Nicht nur die immer teurer werdenden Rohstoffkosten, auch die Erfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen Streupflicht oder die Standheizungsdecken für die Rentiere fielen immer schwerer ins Gewicht. Vor allem in Bezug auf die immer weiter steigenden Energiepreise.
„Ihr Meeting wäre so weit.“ sagte seine Sekretärin als sie mit seiner Tasse heiße Schokolade in sein Büro hoppelte und dabei mehrere braune Pfützen auf dem Boden hinterließ. „Danke Frau Ostara.“ murmelte er, während er in seine nun halbleere Tasse blickte. „Nie wieder Saisonarbeiter..“ dachte er sich, bevor er sich seinen Computermonitor zuwandte. „Ah Meine Herrschaften, meine Dame.“ begrüßte er die Mitglieder seiner Videokonferenz. „Ich fürchte ich muss das heutige Meeting gleich mal mit schlechten Neuigkeiten beginnen.“ begann er das Gespräch. „Die Mitglieder der Wichtelgewerkschaft haben zum Streik aufgerufen. Wir brauchen sie um die Quoten für die Saison zu erfüllen.“
Grummelt nickte Ruprecht. „Früher hätte es das nicht gegeben.“ „Wir müssen uns wohl damit abfinden, das Früher vorbei ist. Die Zeiten haben sich geändert.“ stimmte Holla geknickt zu. „Was hast du nun vor, alter Freund?“ Fragte Nikolas den Weihnachtsmann neugierig. „Ich werde mich wohl darauf einlassen müssen.“ erwiderte dieser „Wir können das Geschäft nicht so kurz vor der heißen Zeit einbrechen lassen.“
„Können wir uns das überhaupt noch leisten?“ fragte Holle nach, was zu einem Kopfschütteln von seitens des Geschäftsführers führte. „Wir werden unser Sortiment also umstellen müssen. Wie sieht es bei euren Abteilungen aus?“
„Schlecht!“ meinte Ruprecht. „Die gestiegenen Kohlepreise und die immer mehr steigende Anzahl unartiger Kinder schlägt ganz schön auf die Kassen.“ „Und die steigenden Temperaturen machen weiße Weihnacht auch immer schwieriger.“ fügte Holla hinzu. „Vielleicht sollten wir unser Geschäftsfeld auf das ganze Jahr ausweiten?“ meinte Nikolas. „und damit unser Alleinstellungsmerkmal riskieren? Außerdem, denk mal nach wieviel Lobbyarbeit es uns kosten würde, die zusätzlichen Feiertage durchzusetzen.“
Alle drei nickten. „Nun denn viel Erfolg dieses Jahr. Ich werde mich wieder um die Wichtel kümmern müssen.“ Gesagt getan, der Weihnachtsmann machte sich zurück zur Fertigungshalle 4. „Ich habe über eure Forderung nachgedacht. Und mache euch einen Vorschlag. Ich gehe auf eure Forderung ein, allerdings nur auf Basis eines Prämienprogramms.“ ein Raunen „Die Bilanzen stehen schlecht deshalb wird die Firma nur in der Lage sein, diesen in vollen Umfang statt zu geben, wenn die gesetzten Produktionsmengen erfüllt wurden.“ Platsch! Eine Tomate flog aus der Menge und landete in seinem Gesicht. Glücklicherweise fiel die Farbe auf dem Mantel nur geringfügig auf. „Ok, dass kann eine Weile dauern..“ murmelte der Alte.
Deshalb liebe Kinder, sollte es dieses Jahr etwas länger mit euren Geschenken dauern, seid bitte nicht böse. Der Weihnachtsmann versucht alles in seiner Macht stehende. Vielleicht solltet ihr ihm helfen, indem ihr euren Wunschzettel etwas kürzer haltet und stattdessen lieber etwas mehr Zeit mit eurer Familie verbringt. Denn denkt immer daran, Materielle Güter könnt ihr auch im nächsten Jahr noch bekommen.
Erinnerungen sind einzigartig.